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Die Bürgerwehr oder Bürgergarde (franz. garde bourgeoise) ist eine im 19. Jahrhundert aus der Waffenpflicht der Bürger zur Verteidigung ihrer Stadt hervorgegangene militärähnliche Einrichtung. Die Bürgerwehren waren in der Märzrevolution von entscheidender Bedeutung. Mit der Entwicklung der stehenden Heere verloren die Bürgerwehren ihre Bedeutung und waren seither vielerorts nur Soldatenspiele. Es gab aber auch einige bedeutende Einsätze. So zeichnete sich zum Beispiel die von Joachim Nettelbeck kommandierte Bürgerwehr von Kolberg bei der Verteidigung ihrer Stadt 1806-1807 ruhmvoll aus.
In Gemeinden, die sich unsicher fühlten, wurden gelegentlich Bürgerwehren improvisiert, was eine nicht immer unbedenkliche Entwicklung war auch im Hinblick auf den Vigilantismus in den USA. Die hier behandelten Bürgerwehren sind damit nicht vergleichbar und können spätestens seit dem Ende des Ersten Weltkrieges als folklorististische Vereinigungen eingestuft werden.
Bürgerwehren in Südwestdeutschland [Bearbeiten]
Vor allem in den südwestdeutschen Ländern Baden, Württemberg und Hohenzollern blicken die Bürgergarden auf jahrhundertealte Traditionen als Stadtverteidigungen zurück bzw. entstanden Bürgerwehren im Gefolge der Märzrevolution 1848/49. Militärisch gesehen hatten sie keine große Bedeutung, denn die Ausrüstung war meist völlig unzureichend und höchstens dazu geeignet, Störenfriede einzuschüchtern. Psychologisch aber war der 1848 ergangene Befehl zur Bildung von Bürgerwehren von großer Bedeutung, denn sie vermittelten der Bevölkerung neben dem subjektiven Eindruck gewisser Sicherheit auch das Gefühl, von ihrer Herrschaft endlich ernst genommen zu werden.
Auslöser der Märzrevolution in Deutschland war die Februarrevolution 1848 in Frankreich, die zur Absetzung des Königs und zur Ausrufung der Zweiten französischen Republik führte. Da die neue bürgerliche Regierung aus innenpolitischen Gründen die Verträge von 1815 als Schmach bezeichnete, befürchteten die deutschen Fürsten einen Feldzug der Franzosen zur Rückgewinnung damals verlorener Gebiete. So lenkten sie ein, hoben die Karlsbader Beschlüsse und damit die Zensur auf und willigten ein, eine Nationalversammlung nach Frankfurt am Main einzuberufen. Damit verschafften sie sich eine Entspannung der revolutionären Lage.
Württemberg und Hohenzollern
Württemberg war 1806 zum Königreich erhoben worden und erhielt von Napoleon Oberschwaben und viele ehemalige kirchliche Gebiete zugesprochen. Es war festgelegt, dass der seit dem Mittelalter herrschende Feudalismus abgeschafft würde. 15.800 württembergische Soldaten [1] nahmen an Napoleons Feldzug nach Russland teil. Nur dreihundert von ihnen kamen 1813 wieder lebend in die Heimat zurück. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig, spätestens nach der Schlacht bei Waterloo und dem Wiener Kongress 1815 folgte die Restauration, d.h. die Herstellung vorrevolutionärer Zustände und die Unterdrückung freiheitlicher Bestrebungen. Auch in Württemberg wurde danach verfahren, wenn auch nicht so rigoros wie in anderen deutschen Ländern.
In Württemberg und Hohenzollern kam es im März 1848 an vielen Orten zu gewalttätigen Ausschreitungen, insbesondere der Bauernschaft, gegen die Feudalherrschaft. Ende März 1848 verbreitete sich in Windeseile das Gerücht, vierzigtausend Franzosen seien nach Baden eingedrungen, brandschatzten Wolfach und seien auf dem Marsch nach Osten. Jetzt endlich, quasi innerhalb weniger Tage, beschloss der württembergische Landtag die Ablösung der Lehnsherrschaft. Zur Abwehr der französischen Invasion wurde landesweit die Aufstellung von Bürgerwehren verfügt. Auch als sich das Gerücht als unwahr herausstellte, wurde nach dem Beispiel der Schweiz mit dem Aufbau von regulären Bürgerwehren begonnen. Jeder selbständige Bürger war zum Dienst verpflichtet. Mangels Waffen, Koordination und Ausbildung blieb es aber in den meisten Orten eine heterogene Veranstaltung, die sich bereits 1849 größtenteils von selbst wieder auflöste.
Einige Bürgerwehren blieben jedoch bestehen und wurden nach und nach zur Folklore. Jährlich kommt es heutzutage zu einem großen Landestreffen, wo die einzelnen Kompanien im Umzug mitmarschieren und paradieren, häufig begleitet von Spielmannszügen. Lokal treten sie bei der Fronleichnamsprozession, an der Kirchweih und bei Stadtfesten in Erscheinung.
Die historischen Bürgerwehren in Württemberg und Hohenzollern haben sich im Landesverband Historischer Bürgerwehren und Stadtgarden Württemberg und Hohenzollern e. V. zusammengeschlossen. Mitglied können nur Bürgerwehren werden, die nachweisen können, dass eine lange Tradition besteht oder wieder begründet wird. Die Uniformen erinnern oft an die der Kaiserzeit.